Microsoft-Urteil

Microsoft-Urteil
Microsoft-Urteil,
 
im Frühjahr 2000 gegen den US-amerikanischen Software-Konzern Microsoft verkündetes Urteil, worin das Unternehmen für schuldig befunden wurde, gegen das Kartellgesetz verstoßen zu haben. Das Urteil ist aufgrund seiner Vor- und Nachgeschichte, und weil es sich bei Microsoft um das größte Software-Unternehmen der Welt handelt, von besonderer juristischer und historischer Bedeutung.
 
Vorgeschichte: Die Vormachtstellung von Microsoft auf dem Betriebssystemsektor war der Software-Konkurrenz und auch dem amerikanischen Kartellamt spätestens seit 1995 ein Dorn im Auge. In diesem Jahr ereigneten sich zwei Dinge, die Microsoft dazu trieben, mit wettbewerbswidrigen Mitteln seine eigene Software in den Markt zu drücken: Netscape brachte den ersten Web-Browser, den Navigator, heraus und Sun bot die objektorientierte und betriebssystemunabhängige Programmiersprache Java an, die sich schnell zum Standard für Internetprogrammierung entwickelte. Microsoft erkannte erst gegen Ende 1995, welche Bedeutung das Internet zukünftig für den PC-Markt, ja die gesamte Informationstechnik haben könnte, und Browser waren der Schlüssel für diesen Markt. In Windeseile wurde der Microsoft-eigene Browser, der Internet Explorer (IE), marktreif gemacht. Um im Internetmarkt Fuß zu fassen, schloss Microsoft mit wichtigen PC-Herstellern Knebelverträge ab, die diese Unternehmen dazu verpflichteten, den Internet Explorer zusammen mit dem Betriebssystem Windows auszuliefern, ihn also nicht aus vorinstallierten Windows-Konfigurationen zu entfernen. Auf diese Weise sollte der IE automatisch zum Standard-Browser auf möglichst vielen Windows-Rechnern werden. Die Rechnung ging in der Tat auf: Der Marktanteil des Netscape Navigators wurde ständig kleiner mit der Konsequenz, dass Netscape Ende 1998 von AOL übernommen wurde. Bei Java verfolgte Microsoft eine etwas subtilere Strategie: Nachdem es die Lizenz der Java-Technologie von Sun erworben hatte, entwickelte Microsoft eine eigene Java-Variante für Anwendungsprogrammierer, J++ (Visual J++), die nur noch kompatibel zu Windows, aber nicht mehr zu anderen Betriebssystemen war. Programmierer konnten sich nun entweder an den Sun-Standard halten mit der Konsequenz einer eingeschränkten Funktionalität ihrer Programme im Internet Explorer oder sie verzichteten auf die Betriebssystemunabhängigkeit und verwendeten das zu Windows und zum Internet Explorer kompatible J++.
 
Anklage und Urteil: Nachdem es bereits zu mehreren gerichtlichen Auseinandersetzungen gekommen war (u. a. hatte Sun 1997 vor Gericht durchgesetzt, dass Microsoft nicht nur den modifizierten, sondern auch den Sun-konformen Java-Code zusammen mit Windows und dem neuen Internet Explorer ausliefern musste), wurde Microsoft im Mai 1998 durch das amerikanische Justizministerium und 20 US-Bundesstaaten verklagt, gegen das Kartellgesetz verstoßen zu haben. Im Oktober 1998 wurde der Prozess eröffnet. Er zog sich über anderthalb Jahre hin. Anfang April 2000 erklärte das Gericht Microsoft hinsichtlich der Anklage für schuldig, und Anfang Juni beschloss es, dass Micosoft in zwei unabhängige Unternehmen aufgespalten werden soll. Das eine Teilunternehmen sollte das Betriebssystemgeschäft weiterführen, das andere sich ganz auf Anwendungs-Software (inklusive Internet-Software) konzentrieren.
 
Nachgeschichte: Microsoft legte sofort Berufung ein mit dem Ergebnis, dass das Zerschlagungsurteil im Juni 2001 aufgehoben wurde. Im November/Dezember 2001 kam es schließlich zur außergerichtlichen Einigung: Microsoft muss PC-Herstellern größere Freiheiten bei der Ausstattung ihrer Rechner mit Software konkurrierender Unternehmen lassen. Außerdem muss Microsoft seinen Mitbewerbern Einblick in technische Informationen über Anwendungs- und Betriebssystem-Software gewähren, damit konkurrierende Software reibungslos mit Microsoft-Produkten zusammenspielen kann. Die Verknüpfung von Software mit Betriebssystemen - wie zuletzt bei Windows XP geschehen - bleibt hingegen erlaubt. Die Auflagen sollen für fünf Jahre gelten.
 
An der Verständigung zwischen Microsoft und US-Regierung hatte der Regierungswechsel im Januar 2001 nicht unerheblichen Anteil, da die Bush-Administration deutlich mehr Verständnis für Microsofts Position aufbringt als ihre Vorgängerin (ein Berater von George W. Bush, Ralph Reed, hat lange Jahre für Microsoft Lobby-Arbeit betrieben). Allerdings ist die Angelegenheit noch nicht völlig erledigt: Am 7. Dezember 2001 haben neun Bundesstaaten Rechtsmittel gegen die Einigung zwischen Regierung und Microsoft eingelegt. Und darüber hinaus sind bei der EU-Kommission in Brüssel noch zwei kartellrechtliche Verfahren gegen Microsoft anhängig.
 

Universal-Lexikon. 2012.

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